
Fotocredit André Leischner
.. der Dialog mit den Toten darf nicht abreißen, bis sie herausgeben, was an Zukunft mit ihnen begraben worden ist. (Heiner Müller)
Im Dezember 1968 verkündet Günter Mittag das Ende des Trabant P603, obwohl dieser technologisch dem Westen überlegen und das 10 Jahre später erschienene Erfolgsauto Golf schon vorwegnahm. Die historische Chance wurde vertan und statt Erneuerung wurde der Trabant zur Wende ein Symbol der gescheiteten DDR -Wirtschaft.
Um das Bewusstsein hierfür zu ändern, wird das Publikum darauf vorbereitet, in der Rolle als Auto Union Vertreter an vier Knotenpunkte der sächsischen Geschichte zurückzureisen und die Vorrausetzungen für eine erfolgreiche Zukunft des Trabant P 603 zu stellen, der nicht nur die ostdeutsche Autogeschichte auf den Kopf gestellt hätte. In einem Tutorial wird es auf das situative Treffen mit einer historischen Person vorbereitet und lernt spielerisch, wie es sich in den jeweiligen Zeitzonen verhalten muss, um die bekannten und unbekannten Entscheidungsträger der Geschichte zu manipulieren.
In dem Theaterparcours hat das Publikum acht Minuten pro Zeitraum Zeit, die Vorrausetzungen zum Bau des P603 zu schaffen, in einem Wirtschaftsspiel die Autogeschichte umzuschreiben und Fragen an die Geschichte zu stellen. Doch es wird auch mit den paradoxen Problemen von Zeitreisen konfrontiert, dass es selber erst Entwicklungen auslöst, welche eine positive oder negative Auswirkung auf die Geschichte haben.
Uns interessiert an der menschlichen Geschichte in erster Linie welchen Einfluss sie auf die Gegenwart hat. Die Erinnerung ist in einem Prozess der Auflösung und die Reise in die Vergangenheit eine Möglichkeit, eben jene Lücken wieder aufzufüllen.
…die Existenz des Museums zeigt uns, das es keine beendeten Dinge gibt…..für das Museum ist der Tod selbst nicht das Ende, sondern erst der Anfang: die Unterwelt, die man für die Hölle hielt, ist eine Spezialabteilung des Museums. Für das Museum gibt es nichts Hoffnungsloses, „Erledigtes“, d.h. nichts, was nicht belebt und auferweckt werden könnte. (Nikolej Fedorov, 1829-1903)

Wiederaufnahme in der Fahrbereitschaft, Herzbergstraße 40-43

am 08.-09. + 14.-16.06.2024 um 20h
Wegen der großen Nachfrage schickt BORGtheater mit „Abteilung Verkehr“ die Zuschauer*innen wieder mit Hilfe einer App, eines Lageplans und weiteren Hilfsmitteln auf eine Zeitreise in diese ehemalige SED-Abteilung an genau jener Stelle, an der sie sich befunden hat – dem Gelände der Fahrbereitschaft in Berlin-Lichtenberg. In diesem Site Specific-Game werden sie als Spieler*innen anhand der überlieferten Geschichte der Abteilung in einen bürokratischen, teilweise kafkaesken Apparat integriert. Sie erleben in einer Art Spionage- oder Wirtschaftskrimi, mit welchen Mitteln Propaganda zwischen Ost und West eingesetzt wurde um herauszufinden, welchen Kreislauf das erwirtschaftete Geld der SED-Westfirmen nahm. Sie nehmen an den Treffen der Funktionäre der nach 1956 illegalen KPD und den Sektorenleitern der Abteilung teil, deren Ziel es war, den holprigen Ablauf der Schleusungen von Personen, Propagandamaterial und vor allen Dingen Geld von Ost nach West zu optimieren und sich als „Geheimnisträger“ auszuzeichnen.
Im Rahmen dieser interdisziplinären und partizipativen Inszenierung wandern die Spieler*innen durch die Zeit ab 1956 und bekommen die Veränderungen nach 1968 durch die Gründung der DKP mit. Sie bekommen Einblick in die Arbeit einer Abteilung, deren Zweck zuerst die finanzielle und propagandistische Unterstützung der illegalen KPD bestand, und die schließlich die finanzielle Steuerung an den Bereich Kommerzielle Koordinierung abgeben musste, welche der DDR ein „kapitalistisches Herz“ einpflanzte.
„Abteilung Verkehr“ bietet den Spieler*innen durch das ungewöhnliche Format und die Ausgangssituation die Möglichkeit, ständig die Perspektive zu wechseln, sich in die Rolle der Ausführenden zu begeben und auf diese Weise selber zu testen, wie stark die Macht der Organisation und ihrer Strukturen ist, und wie wirkungsvoll die eingeforderte Konspiration einzelner Abteilungssektoren gewesen sein muss. Die Spieler*innen erleben selbst hautnah, welche Wahl-, Auf- oder Ausstiegsmöglichkeiten den Mitarbeiter*innen in diesem bürokratischen Apparat gegeben waren.
Thematisiert wird auch, wie politische Ereignisse, die im Westen zum Teil weniger beachtet oder verdrängt wurden, aber in den Ostmedien als Teil einer konspirativen Verschwörung gegen die DDR betrachtet wurden. Die Regierungsorgane und deren Spionagedienste lieferten einen Zerrspiegel der verdrängten Geschichte des anderen Deutschlands, der seinen Ursprung in der Spionageeinheit „Abteilung Fremde Heere Ost“ der Wehrmacht findet, welche von der konspirativen Verklärung und Mythenbildung der NSDAP bestimmt wurde.
Während die Spieler*innen vordergründig in ein Narrativ des Kalten Krieges und ein von Konspiration und Paranoia angetriebenes System eintauchen, schlagen sie unwillkürlich, angesichts mancher Parallelen (ideologischer und/oder struktureller Art) einen Bogen zur Gegenwart.
Die Veranstaltung ist aufgrund fehlender Fahrstühle für Menschen mit Gehbehinderung nicht geeignet.
mit:
Schirmherr: Dr. Stefan Donth, Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen




„Böse, amüsant, intelligent, nachhaltig – grandioses Konzept, zwei tolle Darstellerinnen und ein wirklich außergewöhnlicher Theaterabend“
BORGTHEATER bereitet in seiner aktuellen Theaterproduktion alle Zuschauer*innen auf den Upload nach T.R.U.E. vor – einem digitalen Ort, in dem Dank smarter Algorithmen und hyperleistungsfähiger Künstlicher Intelligenz alle Bewohner*innen ein ideales Leben in Harmonie mit sich selbst führen. Ein virtuelles Land, wo alle ihre wildesten Träume ausleben und ihre persönlichen Bedürfnisse befriedigen können, ohne Anderen zu schaden und Reue empfinden zu müssen.
Per Handy-App und Computer landet man im Vorraum von T.R.U.E. bei zwei persönlichen Coaches, die per Chat und Multiple-Choice-Angaben die Human Essence der Zuschauer*innen für den Daten-Upload ermitteln. Denn nur so kann das digitalisierte Land jenseits körperlicher Schranken betreten werden. Doch es gibt noch einen anderen Grund für den Upload, welcher der ganzen Menschheit zugutekommen wird und welchen die Zuschauer*innen bei ihrem Treffen mit einem T.R.U.E.-Member erfahren…
DATA-Land nimmt die zunehmende Entkörperlichung durch die Digitalisierung ins Visier und stellt die teleologische Weltsicht der Zuschauer*innen auf die Probe. Untersucht wird ihre Bereitschaft zum eigenen Upload als logische Konsequenz der Selbstoptimierung und Überwindung der Dichotomie von Geist und Körper.
Die Game-Theater-Premiere ist eine Einladung, über technologische Erlösungsphantasien und radikalisierte Umweltpolitik nachzudenken, Gruppendynamiken zu erleben, Entscheidungen zu treffen, sich moralischen Dilemmata auszusetzen – und vor allem zu spielen. Der Ausgang wird für jede*n anders sein. Denn hochgeladen nach T.R.U.E. werden nur diejenigen, welche genügend Human Essence haben.…
Für die Trilogie Customerzombification, deren zweiter Teil hier vorgestellt wird, erfindet Borgtheater sich neu: mithilfe eines Webbrowser-basierten Streamings und einer Theaterapp nimmt das Ensemble spielerisch mit dem Publikum Kontakt auf. Benötigt wird für den Live-Stream ein Computer oder Pad mit Internetverbindung und (!) ein Smartphone für die App, um den Vorraum zu T.R.U.E. zu betreten. Dabei geht das Format über herkömmliches digitales Theater hinaus und zeigt , dass das neue Genre auch außerhalb von Pandemiezeiten wirken kann.

Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
Das Performing Arts Festival Berlin des LAFT Berlin wird gefördert durch das Land Berlin – Senatsverwaltung für Kultur und Europa
Medienpartnerin ist taz.de
Schauspiel: Charlotte Alten, Mandy Rudski, Deniz Orta und Oliver Möller
Regie, Stückentwicklung, Game Design: Rolf Kasteleiner
Dramaturgie: Marcel Luxinger
Programmierung: Markus Schubert https://toto.io
Game Design Beratung: Eria Korte
Kostüm & Bühne: Eleonora Pedretti
Bildmischung und Streaming: Alison Reed, Robbin Klaus https://www.machenundtun.de/
Regieassistenz, technische Inspizienz: Johanna Winkens
Presse: Nora Gores
Produktionsassistenz: Jana Klimmek

Wir leben als Customerzombies in einer Welt, die von extremer digitaler Produktabhängigkeit geprägt ist, und in der die Daten aller Menschen von einem DATA-System gespeichert und gemessen werden. Ein universelles Bonitätssystem überwacht, kontrolliert und bewertet jedes noch so persönliche Verhalten und teilt die Menschen entsprechend ihrer Vertrauenswürdigkeit und Kreditwürdigkeit in Klassen/Schichten ein.
Alice ist Influencerin für digitale Aufklärung und nachhaltige Lebensverbesserung. Gemeinsam mit ihren Followern (Zuschauer:innen) dringt sie in die künstliche Intelligenz der zentralen Datenbank ein, um ihre Schwester zu finden, die aufgrund eines Missgeschicks herabgestuft und verschwunden ist. Doch je weiter sie vorstößt, desto mehr wird sie von der KI mit ihrer eigenen Datenspur konfrontiert und manipuliert. Immer wieder muss die Gruppe sich entscheiden, z.B. ob sie ihre eigenen Daten löschen und herabgestuft oder ob sie ihre Daten nicht löschen und belohnt werden. Aber durch welche Entscheidung wird Alice zu ihrer Schwester geführt? Denn nur eines der beiden Enden führt zu ihr.
Theater in Pandemie-Zeiten? Customerzombification 1 ist kein Videospiel, sondern ein Live-Stream mit Theater-App. Die Zuschauer:innen können überall als Follower virtuell am Live-Kammerspiel teilnehmen und über Ablauf und Ausgang des Spiels entscheiden. Da per Mehrheitsentscheidung entschieden wird, wird der Entscheidungsprozess zum Teil des Stücks. Customerzombification 2 folgt Ende Mai 2021 aus Berlin.
Teilnahme per Livestream mit Theaterapp
19.01.2021 20:00 Uhr
21.01.2021 20:00 Uhr
03.02.2021 20:00 Uhr
07.02.2021 20:00 Uhr
28.02.2021 20:00 Uhr
04.03.2021 20:00 Uhr
08.03.2021 20:00 Uhr
23.03.2021 20:00 Uhr
29.03.2021 20:00 Uhr
30.03.2021 20:00 Uhr
31.03.2021 20:00 Uhr
Zusätzliche Vorstellungen:
20.04.2021 20:00 Uhr
21.04.2021 20:00 Uhr
22.04.2021 20:00 Uhr
24.04.2021 20:00 Uhr
25.04.2021 20:00 Uhr
Schauspiel: Christiane Waak
Regie + Stückentwicklung + Game Design: Rolf Kasteleiner
Dramaturgie : Johanna Hasse
Programmierung+ Game Design: Markus Schubert
Visual Content: Daniel Müller
Bildmischung: Sophie Loebjinski
Operator: Niklas Washausen

